Bericht der Schwäbischen Zeitung:
Seit 15 Jahren gibt es das Kulturprojekt „Mundartbühne“ beim Schwäbischen Albverein, das bisher eher im Unterland tätig war. Für die erste Mundartveranstaltung im Rahmen dieses Projekts in Wangen hat der Vorsitzende des SAV, Meinrad Sailer nun Bernhard Bitterwolf aus Haisterkirch bei Bad Waldsee ins Weberzunfthaus eingeladen.
Mundart und alte vergessene Musikinstrumente sind die Domäne des „schwäbischen Barden“, wie Bernhard Bitterwolf sich nennt. Und im Gepäck hatte er Unbekanntes und Kurioses – wer weiß noch, was ein „Piffel“ ist oder gar ein „Carnyx“ oder dass bei uns früher der Dudelsack bzw die „Sackpfeife“ ein gängiges Instrument auf dem Tanzboden war?
Bernhard Bitterwolf bringt Licht ins Dunkel, schwäbisch-deftig, schlagfertig und eloquent. Außerdem bricht er eine Lanze für die Mundart, die mehr und treffendere Worte hat als die hochdeutsche „Einheitssprache“ und mit der sich herrlich passgenau beschreiben lässt. Drum fesseln seine Beschreibungen und treiben einem mitunter auch die Lachtränen in die Augen.
Neben zwerchfellerschütternden schwäbischen Zungenbrechern und hintersinnig-ironischem Humor füllte Bernhard Bitterwolf den Saal mit den Klängen alter Musikinstrumente. Der Piffel zum Beispiel ist die „schwäbisch sparsame Version des Alphorns“, ein kurzes Signalhorn, mit dem der Dorfhirte den Bauern sein kommen ankündigte.
Das Kuhhorn kennt Mancher noch als wassergefülltes Aufbewahrungsetui für den Wetzstein beim Sensenmähen. War das Wasser verschüttet, musste man es mitunter durch Körperflüssigkeit ersetzen – daher blies Bitterwolf dieses Instrument aus „hygienischen Gründen“ mit einem Mundstück. Der Klang war allerdings nicht so „kunstvoll und zierlich“, wie ihn eine alte Chronik beschrieb, sondern eher deftig bis unanständig.
Sackpfeife, Drehleier und Schalmei waren für Jahrhunderte die Instrumente der fahrenden Musikanten und erklangen auf jedem Tanzboden in Schwaben und dem Allgäu erklangen. Das Scheitholz schließlich ist ein Vor-Vorläufer der Zither und ein Instrument für drinnen. Zwei Zuhörer mussten als Tischersatz herhalten – wie auch bei anderen Gelegenheiten das Publikum mit eingebunden wurde.
Bernhard Bitterwolf sang zu Gitarre und Akkordeon, aber auch zur Drehleier und dem Scheitholz Lieder vom Mittelalter bis zur Moderne. Köstlich, zotig und zupackend etwa das Lied über den „alten Dattel“, der nicht von den jungen Frauen lassen kann oder das Tanzlied über den schief hängenden Ehesegen, weil die Frau zu viel aushausig ist. Die altertümliche Sprache war manchmal mit Bitterwolfs Hilfe zu entschlüsseln. Es zeigte sich, dass sich die zugrunde liegenden Vorstellungen sich nicht geändert haben, nur die Worte, mit denen sie beschrieben werden.
Im Übrigen wurde deutlich, dass der Schwabe und Allgäuer keineswegs maulfaul ist, aber er sagt nicht mehr, wie nötig ist. Das gilt auch für Liebeserklärung. Einmal ausgesprochen, gelten sie bis zur Behauptung des Gegenteils und müssen nicht ständig wiederholt werden. Und schon Abraham de Santa Clara alias Johann Ulrich Megerle, geboren in Kreenheinstetten, Hofprediger Kaiser Leopolds I, zog seine Zuhörer mit Sprachgewalt und Wortfantasie den in Bann. Ihm war, wie jedem Schwaben klar: es kommt auf jedes Wort und manchmal sogar auf die Betonung an.
So war es ein kurzweiliger Abend, der seine Kraft aus bodenständiger Mundart und Musik bezog. Man darf der Mundartbühne das SAV für zukünftige Veranstaltungen allerdings noch ein paar mehr Besucher wünschen. Desungeachtet verabschiedete sich Bernhard Bitterwolf mit den schaurigen Tönen des „Carnyx“, eines gut 2 Meter langen keltischen Horns, das nach alten Vorlagen rekonstruiert wurde.